Harz Kurier vom 07.08.1999
Serie: Von Land und Leuten Nr.30
Haus an Haus und die Gärten am Hang
Freiheit. Ursprünglich genügte es, im Dorf Freiheit die Namen der Hausbesitzer zu kennen, doch bald wurde die „Häuserkette” beiderseits des Lerbachs zu lang und unübersichtlich. So wurden die Häuser der Reihe nach durchnummeriert. Haus an Haus, ohne Baulücke wurde errichtet, und die angrenzenden Hanglagen als Gärten, Wiesen und Felder genutzt. Diese Hänge ließen sich ohnehin nur mühsam bearbeiten, aber für den Lebensunterhalt sicherten sie Gartenfrüchte und die Produkte der Kleinviehhaltung.
Die Bauweise, Giebelwand an Giebelwand ohne „Wirtschaftsteil” hatte zur Folge, daß die hinter dem Haus liegenden Gärten nur durch den Hausflur beziehungsweise die Küche erreicht werden konnten. In der Regel besaßen die Bürger auch Kleinvieh (einschließlich Ziege), so dass nicht nur das Wiesenfutter transportiert, auch alle Pflegedienste der Stalltiere durch die Haustür (Küchentür) verrichtet werden mußten. Fast 80 % aller Häuser lagen an der Straße im Tal des Lerbachs, die den Namen „Hauptstraße” erhielt. Ein solcher Name unterstreicht Größe und Bedeutung des Ortes. Bevor jedoch der Name „Hauptstraße” aufkam, gab es schon die „Alte Harzstraße” und den „Gümpelhof”, jedoch nur mit wenigen Häusern bebaut.
Ein heimatgeschichtlich interessierter Bürger glaubte, die Burg mit der nahegelegenen Königsgasse ergäben einen Zusammenhangin der Weise, dass die Königsgasse ein verborgener, geheimer Weg, also ein Fluchtweg des Königs gewesen sei. Zwar ist König Ernst August von Hannover mit seinem Gefolge 1838 durch Freiheit gezogen, doch der Name Königsgasse ist auf die Zigarrenfabrik König & Cq. aus Braunschweig zurückzuführen, die 1867 dort die Produktion aufnahm und zehn Jahre später 30 Arbeitsplätze umfaßte. Vor diesem Zeitpunkt war das Anwesen ein Wohnhaus und um 1845 eine Färberei als Nachfolgerin einer Brennerei (Kartoffelschnaps). Die Königsgasse, auch in den Gemeindeakten als Königsstraße bezeichnet, blieb bescheiden, eingeengt durch den Butterberg und die gegenüberliegenden Grundstücke der Gemeinde (Schule) und des späteren Fuhrunternehmers Borchers, so dass eine Fahrbahnverbreiterung nicht gegeben war.
In den Akten der Gemeinde Freiheit ist eine weitere Gasse genannt, die „Butterberggasse”. Dieser Name ist vermutlich mit dem Ausbau des Weges „Am Butterberg” (seit 1972 Burgweg) annulliert worden. Es handelte sich um das Wegstück zwischen „Am Butterberg” und der „Hauptstraße”. Das Spritzenhaus und Wohnhaus Borchers lagen an der „Butterberggasse”. (Der Name Butterberg bezeichnet den Höhenrücken, auf dessen Zipfel die Burg gebaut wurde. Der Ursprung des Namens ist nicht belegt).
Von der „Butterberggasse” aus konnte man den Lerbach beziehungsweise die „Hauptstraße” überqueren und über 66 Stufen die Steigung nach dem Koppelweg (Baumhofstraße) überwinden. Diese Stufen waren nach einer Beschreibung von W. Oehlkers mit eichenen ausrangierten Eisenbahnschwellen belegt. Der Name „66iger Treppe” war kein offizieller Straßenname, aber ein fester Begriff bei Wegbeschreibungen. Der Koppelweg, ein Wirtschaftsweg in der Feldmark, Verbindungsweg zur „Alten Harzstraße” ermöglichte den Bürgern, die Wiesen, Weiden und Felder zu bewirtrschaften.
Gab es in diesem Gebiet einen Hof mit Wald-Baumbestand? Der Name Baumhofstraße nährt diese Vermutung, zumal in einer Urkunde der Stadtgemeinde Osterode neben Weide- und Ackerbesitz auch die „Holzung am Baumhof’ bestätigtwird. Es handelt sich um eine Parzelle von gut 200 qm. Dieser Koppelweg wird zum Ausgangspunkt nach der Flurbereinigung (1891-97) für weitere Siedlungsflächen in der Freiheiter Feldmark.
Alte Flurbezeichnungen wie „Hengeireckentrift” oder „Nägelade” und „Hängeiriede” wurden für künftige Straßennamen in den Neubaugebieten berücksichtigt. Der „Hengstrücken” wird in wenigen Jahren der Bauzeit mehr Häuser ausweisen, als die Hauptstraße über Jahrhunderte hinweg belegen kann.
Foto: Schütze - Ein Teil der früheren Zigarrenfabrik König u. Co.
siehe: Wie die Straßen in Freiheit zu ihrem Namen kamen (Teil II)
Harz Kurier vom 28.08.1999
Serie: Von Land und Leuten Nr.31
Wie „Brennstoff” zum „Gemüse” wurde
Osterode. In der Zeit vor der Flurbereinigung (Verkoppelung 1891 bis 97) war die Freiheiter Feldmark, das Acker-, Wiesen- und Weidenland, von zahlreichen Wegen (Wirtschaftswege und Fußwege) durchzogen. Einige konnten mit Fuhrwerken befahren, andere nur als Fußweg benutzt werden. In der Regel waren sie teilweise (Ränder) oder ganzflächig mit Gras bewachsen, das seinerzeit als Viehfutter hoch geschätzt wurde. So verwundert es nicht, wenn die Nutzung dieser Feldwege rechtlich geklärt und vertraglich abgesichert wurde.
Im Teilungs- und Verkoppelungsvertrag bezüglich der Freiheiter Feldmark heißt es sinngemäß, „auf den nicht öffentlichen Wegen darf das zu den Weiden getriebene Vieh nicht geweidet werden. Auch die angrenzenden Grundstücke dürfen nicht vom Vieh betreten werden, nur der Hund des Hirten darf in den Gräben zwischen Weg und Feld laufen.” In dem genannten Vertragswerk sind die Wege benannt, genauestens berechnet und mit dem Besitzrecht namentlich ausgewiesen. Eine aufschlußreiche Unterlage für die Heimatforschung.
Viele Wege sind ohne amtlichen Namen, vermutlich mündlich mit dem Namen des Besitzers benannt worden, wie „Noltens Grund” (Tischler Nolte, Haus Nr. 75). Ein Teil der Wege erhielt den Namen nach der Lage (Im Eichental), der Nutzungsweise (Die langen Äcker) oder Schutzmaßnahmen (Lattenbusch). Neben einer amtlichen Wegbenennung benutzten die Bürger auch eigene Namen, wie das Beispiel „Bündgenberg” belegt. (In der Verkopplungskarte von 1902 ist die Schreibweise Bündchenberg). W. Oehlkers nennt in der Schulchronik diesen Weg „Kohlweg” und weist auf den Wandel des Namens hin, der zu Fehldeutungen führen könnte. Der ursprüngliche Name „Kohlenabfuhrweg” verkürzte sich auf Kohlenfahrweg und schließlich auf Kohlfahrweg. So kann ein Brennstoff zum Gemüse werden. Das Eckgrundstück „Alte Harzstraße - Bündgenberg” war ein Brennstofflagerplatz.
Nach Oehlkers Beschreibungen hieß der heutige Burgweg „Nägelade”, doch in Feldmark-Urkunden findet sich nur die Wegbeschreibung „Weg auf dem Butterberg bis zum Osteroder Friedhof’. Ebenso unsicherist die Beschreibung „Hän-gelriede”. Oehlkers schreibt: „Neben der v. Allvördschen Fabrik führt ein Feldweg nach der alten Harzchaussee. Von diesem zweigt sich rechts ein Weg ab, den früher die Eseltreiber benutzten. Er führt den Namen „In der Hängeiriede”. Jetzt führt an ihm die Telegrafenleitung entlang.” In der Verkopplungskarte von 1902 hat der Zeichner Weidemann diesen
Weg (See II 114 - 113) eingezeichnet.
In dem dazugehörenden Textband heißt dieser Weg „Hengeireckenweg” (Heute das Wohngebiet „Am oberen Vogelherd”) Geht man davon aus, dass der Buchstabe „1” in dem Wort „Hengeirecken” ein „s” sein sollte, wäre der Begriff „Hengesrecken” = Hengstrük-ken nachvollziehbar. (Das in Sütterlinschrift geschriebene s, flüchtig ausgeführt, ist leicht als 1 zu lesen. Die Schreibweise „Hängeiriede” ist wohl nur durch die mündliche Überlieferung entstanden. So können sich gebräuchliche Begriffe in rätselhafte Wortschöpfungen verwandeln.
Der Name „Am Lattenbusch” geht vermutlich auf eine Maßnahme zurück, das Ackerland zu schützen. Als Windschutz gegen Austrocknung und Erosion der Ackerkrume setzte man früher „Staken” (Latten). Bei der Feldbegehung, Teil eines Pachtkontrollaktes, wurden früher genaue Beschreibungen protokolliert, die zu alten Sprachschätzen zählen. In einem solchen Protokoll heißt es: . . starke Zäune aus eichenen Staken säumten die Triftwege, Stakenzäune schützten das Ackerland gegen Verbiß der zur Hutung getriebenen Viehherden. . .auchmilderten die Staken die schädigenden Einwirkungen des Windes und verringerten die Gefahren der Auswinterung.
Nicht alle Straßennamen können auf eine heimatgeschichtliche Bedeutsamkeit zurückgeführt werden, die Straßennamen „Am Vogelherd”, „Buchenweg”, „Burgblick” sind auch aussagekräftig und werden zeitlos bestehen können. Nicht jede Straße hat ihren Namen behalten dürfen. Die Hauptstraße in Freiheit hieß einige Jahre „Straße der SA” und Oehlkers bezeichnet um 1900 die Hauptstraße mit „Poststraße”, denn der Postweg in den Harz durch Freiheit gewann an Bedeutung und wertete mit diesem Namen den Begriff „Hauptstraße”, ab.
Foto: Schütze - Hieß zeitweise „Poststraße” und „Straße der SA”: Die Hauptstraße in Freiheit. Foto: Schütze
siehe auch: Wie die Straßen in Freiheit zu ihrem Namen kamen (Teil I)
Harz Kurier vom 10.07.1999
Serie: Von Land und Leuten Nr.29
Osterode. Im westlichen Harzvorland führten bedeutende Handelsstraßen am Harzgebirge vorbei. Durch den Handel der deutschen Städte entwickelte sich eine Verkehrsdichte, die kaum an anderer Stelle in Deutschland größer gewesen sein mag. Von Nordhausen führte die „Thüringer Straße“, von Duderstadt die „Nürnberger“- oder „Augsburger Straße“ nach Osterode (später fand die Vereinigung dieser beiden Straßen bei Badenhausen statt). Von Göttingen über Echte stieß die „Frankfurter“ mit der „Holzmindener Straße“ bei Seesen zusammen, so daß im westlichen Vorland des Harzes ein lebhafter Verkehr herrschte.
Während Goslar nach Süden durch den bekannten Kaiserweg über Oker, Oderbrück und Walkenried eine genügende Verbindung über den Harz besaß, fehlte eine Verbindung über den Oberharz nach Westen zur „Nürnberger Straße“. Zwar führte vermutlich schon seit „keltischer Zeit“ der „Houster Weg“, jetzt „Hundscher Weg“, genannt, von Osterode in den Oberharz, doch für Handelswagen war er ungeeignet. Er genügte den Ansprüchen der Zeit nicht mehr. So ist die alte Harzstraße zur Blütezeit der Hanse aus den Bedürfnissen der Zeit entstanden. 1457 wird diese Straße urkundlich als „rechte Heerstraße“ genannt. An dieser Straße lagen verschiedene Wegklausen, die man als älteste Gebäude des Oberharzes ansehen kann (z. B. Heiligenstock und Überreste im Seitenbau der St. Jacobikirche in Osterode).
Mit der Anlage der Harzstraße war aber nicht allein dem Handel gedient, sondern auch der Erschließung des Oberharzes. Der Berbau und die Hüttenbetriebe veränderten das Gesamtbild des Harzes, einschließlich der Ortschaften am Harzrand, wie z. B. Freiheit.
Für die Menschen dieser Ortschaft bot die „alte Harzstraße“ jahrhundertelang die einzige Verbindung mit Pferd und Wagen nach Lerbach und Clausthal. Nachdem die Lerbacher Eisenhütte 1837-39 wieder neu aufgebaut worden war, ging man auch daran, den Fußweg von Freiheit, der zwischen den Häusern entlang, teilweise durch das Flußbett des Lerbachs nach der Hütte hinaufführte, zu chaussieren, das heißt, diese Fahrbahn wurde mit kleingeschlagenen Steinen oder Kies befestigt. Nach einer Chronikunterlage (W. Oehlkers, 1865-1943) besuchte König Ernst August von Hannover 1838 den Harz. Der Weg führte über diese neue Straße nach Lerbach. Die Freiheiter stellten sich auf den Königsbesuch ein und deckten die an der Straße liegenden Misthaufen mit Tannenzweigen zu. Ob der König und sein Gefolge diese freundliche Maßnahme zu würdigen wußten, ist nicht überliefert.
Die neue Straßenverbindung durch das Tal entwickelte sich zu einem Hauptverbindungsweg zwischen Osterode über Freiheit, Lerbach nach Clausthal. Das Teilstück „alte Harzchaussee“, so nannte man zwischenzeitlich (französischem Einfluß folgend) die „alte Harzstraße“, ab Freiheiter Hof über den Hengstrücken nach Heiligenstock, wurde kaum noch als Handelsweg genutzt. Der Frachtverkehr hörte ganz auf. Die mit sechs Pferden bespannte Post mit ihren zwei Postillionen in roten Jacken, gelbledernen Hosen und schwarzen Stulpenstiefeln benutzten nun den bequemeren Weg. Auch die Kohlenfuhrleute, die mit ihrem zweiräderigen von einem Pferd gezogenen Karren die Holzkohle von den Meilerhaufen abtransportierten, befuhren mehr und mehr die neue Straße. Nur die Freiheiter führten ihre Maulesel weiterhin über die alte Harzchaussee, um Korn und Gips von den Gipsmühlen nach den Bergstätten und von dort Pochsand und teilweise Erz ins Tal zu bringen.
Als die Eisenbahnstrecke von Langelsheim nach Clausthal betriebsfertig war, trat eine neue gravierende Veränderung ein. Die Zeit, in der Maulesel den Warentransport übernahmen, war vorbei. Die Freiheiter schafften 1875 die letzten Maulesel ab. Die „Harzchaussee“ wurde nun auf diesem Abschnitt zum Fuß- und Wanderweg und nicht mehr als Chaussee straßenbaumäßig unterhalten. Mit diesem Wandel kam auch wieder der alte Name „alte Harzstraße“ in Gebrauch.
Foto: Postillione der Könglich Hannoverschen Post
Osteroder Kreis=Anzeiger vom 29.03.1997
Osteroder und Freiheiter lieferen sich einst regelrechte Schlachten
OSTERODE (as) In früherer Zeit begleiteten zahlreiche Sitten und Bräuche das Leben der Menschen. Das Osterfeuer abzubrennen hat sich bis in unsere Tage erhalten. Mit diesem Brauch sind allerlei Vorkommnisse überliefert, die auch Straftaten mit einschlossen. Zwischen den Freiheitern und Osterodern gab es sogar Kämpfe, die in Polizeiberichten und behördlichen Anweisungen überliefert sind.
Landrat Rottländer wandte sich im März 1880 an den Schulinspektor, Pastor Ubbelohde, mit der Bitte, die Lehrer der Schule Freiheit anzuweisen, die Schulkinder vom Butterberge femzuhalten, die beim Heckesammeln für das Osterfeuer Unfug trieben. In dem Dokument heißt es, daß die Personen mit Strafe von drei Mark oder Haft rechnen müßten, „die sich auf dem Butterberge einfinden und daselbst durch Schreien, Werfen mit Steinen, gegenseitig Schlägereien und dergleichen Unfug treiben“. Der Gemeindevorstand in Freiheit wurde aufgefordert durch geeignete Mannschaften die Ansammlung von Schulkindern auf dem Butterberge auseinanderzusprengen. Die Gendarmen Milutzki und Schwenler wurden angewiesen, dabei Hilfe zu leisten. In der Chronik der Freiheiter Schule ist dieses Geschehen genauer belegt.
„Um die nötige Tannhecke für das Osterfeuer zu beschaffen und den Fuhr-lohn bezahlen zu können, sammeln Schulknaben Geld von Einwohnern. Am Sonnabend vor Ostern wird die Hecke geholt. Unter Absingen des alten, nur bei dieser Gelegenheit gesungenen Köhlerliedes ,Ein freies Leben führen wir’ wird die Hecke, die Schulknaben oben auf dem Fuder sitzend, durch, den Ort gefahren. Das Köhlerlied endet mit dem Zusatz ...die Städter haben die Schläge bekommen, die Freiheiter den Sieg gewonnen. Drum schenkt ein, wir wollen lustig sein. So kehren wir beim Weiler ein und trinken ein Glas Gänsewein.“
Das Lied bezieht sich auf Schlägereien zwischen Osteroder und Freiheiter Jugendlichen, die gegenseitig versuchten, sich die Hecke zu stehlen oder den Baum, um den die Hecke aufgeschichtet wurde. Bei diesen Schlägereien ging es recht derbe zu, besonders Steinwürfe verursachten erhebliche Kopfverletzungen. Der Chronist berichtet, daß die Schule dazu beigetragen habe, die Ordnung wieder herzustellen. Ab 1886 wurde durch die Schule keine Erlaubnis mehr zum Einsammeln des Geldes und der Hecke ausgesprochen. Auch die Androhung der Strafe hielt zumindest die Schulkinder davon ab, sich an den Osterkrawallen auf dem Butterberg zu beteiligen.
50 Jahre später beschreibt ein Berliner, Hilmar Pabel, in dem Grubenhagenschen Heimatkalender 1936, wie er die Ostervorbereitungen in Osterode erlebte. „Ich ging hinaus auf die Bleiche zur Ostertanne und das war sogar eine Wache, die die Hecke schützte. Ich wußte nicht wovor. Ich lernte es und schimpfte über die feigen Freiheiter, die sich nicht heranwagten an das Osteroder Osterfeuer. Und dann ging ich hinauf zu den Freiheiten!, die wiederum schimpften mächtig auf die Städter mit V, dem bißchen Hecke und dem lächerlichen Baum. Sie nannten die Osteroder natürlich genau so feige, daß sie es nicht wagen würden, die Freiheiter Hecke mit Gewalt zu stürmen und anzustecken. Es war auf beiden Seiten ein gewaltiger Krieg mit drohenden Worten, der schließlich in einen kühnen Angriff des Nachbarlagers überging.“
Nach 50 Jahren brauchten aber weder Polizei noch andere Amtsträger einzugreifen, um die Ordnung zu sichern. Mögen die berichteten „Heckenkämpfe“ brutal erscheinen, so stellte doch der Chronist vor 100 Jahren fest: „...war das Osterfeuer abgebrannt, war aller Kampfgeist erloschen. Freiheiter und Osteroder gingen gemeinsam friedlich zum Ostergottesdienst in die Kirche St. Aegidien."
Die Tannhecke wurde früher mit dem Fuhrwagen zum Brennplatz gebracht, oben auf sitzend zahlreiche Schulkinder. Foto: Schütze
Harzkurier 15.07.2000
Osterode. Der Fußweg von Lerbach nach Freiheit, jetzt „Philosophenweg“ genannt, hieß nach Chronikunterlagen seit 1903 „Lutterothweg“.
In der Schulchronik der Volksschule Freiheit ist von W. Oehlkers auf Seite 13 festgehalten:
„Hinter dem jetzigen Kurhaus Eichental zweigt ein Fußweg von der Poststraße ab. Er ist 1903 vom Harzklub gebaut worden.
Man nennt ihn zu Ehren des damaligen Forstmeisters Lutteroth den Lutterothweg.
Unklar ist, ob die Namensgebung auch offiziell übernommen wurde. Ein Namensschild wurde wohl nicht aufgestellt, sonst wäre die Wegbezeichnung nicht so schnell in Vergessenheit geraten. Ähnliches geschah in Osterode. Der Bahnhofsvorplatz am Hauptbahnhof hieß früher „Goetheplatz“.
Albrecht Schütze
Harz Kurier vom 11.04.1998
Serie: Von Land und Leuten Nr.7
Die alten Sitten und Bräuche geraten in Vergessenheit — Von Albrecht Schütze
Kreis Osterode. Zwar sind auch heute noch einige überlieferte Sitten und Bräuche traditionell erhalten, doch sind zahlreiche bereits in Vergessenheit geraten. Die Volkskundler haben es schwer, das Brauchtum zu erkunden, denn Sitten und Bräuche haben zwar meist den gleichen Ursprung, doch die Umsetzung verlief in individueller Art.
Von Ortschaft zu Ortschaft sind unterschiedliche Formen bekannt - Faschingsfeiern, Schützenfeste und Osterfeuer geben dafür hinreichende Beweise. Diese jahreszeitlich bedingten Traditionen haben sich über Jahrhunderte erhalten und dürften auch zukünftig im Bewußtsein bleiben.
Feste nur passiv betrachtet
Es schließt aber nicht aus, daß sie sich von Jahr zu Jahr verändern und möglicherweise viele traditionelle Eigenarten verdrängt werden, weil diese Feste nicht aktiv erlebt, sondern nur passiv betrachtet werden. Erste Alarmzeichen sind erkennbar, wenn zum Beispiel Schützenfeste nicht mehr jährlich, sondern in größeren Jahresabständen durchgeführt werden sollen, weil das Interesse (mangels gewohnter Fernseh- und Filmeffekte) für diese Veranstaltungen verblaßt. Aber auch „das Osterfeuer ist nicht mehr das, was es einmal früher war“, hört man häufiger von älteren Einwohnern als Klage.
Schaulustige, die nach dem Abbrennen des Osterfeuers heute mit Asche das Gesicht geschwärzt bekommen, sind oft erbost und entsetzt über das vermeintlich übermütige Treiben der Jugendlichen -dabei hätten sich die Betroffenen freuen sollen, denn in der Osterfeuerasche soll heilbringende Kraft liegen. Diese ursprüngliche Bedeutung des Ascheschwärzens und andere Weisheiten unserer Altvorderen, ist uns nur nicht mehr bewußt.
Viele Osterbräuche
Das Osterfeuer stellt ohnehin nur einen Teil der Osterbräuche dar. Vergessen ist auch, daß das Osterwasser Heilwirkung besitzt. Konfirmandenjahrgänge unternahmen Osterspaziergänge mit dem Ziel, eine Quelle aufzusuchen, nicht ganz frei von dem Gedanken, der Liebsten das Gesicht mit dem kühlen Quellwasser zu benetzen. Die Mädchen ließen es zu, denn Osterwasser soll Schönheit verleihen. Am ersten Ostertag, vor Sonnenaufgang, holte man im Krug Osterwasser, das gegen allerlei Krankheiten hilfreich sein sollte. Auch trieb man das Vieh in der Osterwoche an die Tränke und begoß die Tiere, verbunden mit Segenssprüchen, um Krankheiten abzuwehren bzw. zu heilen.
Bedeutende Hinweise
All diese gemeinschaftsfördernden Bräuche sind aus unterschiedlichen Gründen in Vergessenheit geraten. Krieg-und Notzeiten, aber auch Wissenschaftsgläubigkeit und der Drang selbstbewußt und unabhängig leben zu wollen, können oftmals Chroniken bedeutende Hinweise liefern. In der Schulchronik-Freiheit ist überliefert, daß die Eimermacher (Holzeimer, Böttcher) und die Fuhrleute in Freiheit zu Fastnacht einen Umzug durchführten. „Dabei setzten sich zwei verkleidete Gestalten auf ein Rad, das von einem Pferd gezogen wurde, was possierlich aussah. In den mit dem betreffenden Handwerk in Verbindung stehenden Häusern wurden Gaben gesammelt, namentlich Würste“, heißt es in der Chronik.
Bräuche verschwinden
An anderer Stelle wird ein Weihnachtsbrauch angeführt: „Die Sitte, in der Zeit vom Weihnachtsfeste bis Heiligen Drei Könige mit dem Herodeskasten umherzuziehen ist seit 20 Jahren verschwunden“. Nach der Chronik zu schließen, müßte dieser Brauch noch um 1875 üblich gewesen sein. Nicht nur im Frühjahr, im gesamten Jahresverlauf gab es Anlaß, weitere Bräuche (Pfingsten, Erntezeit. . .) als Ausdruck der Lebensfreude darzustellen. Besonders die langen Winterabende begünstigten, dem ländlichen Arbeitsverhalten angepaßt, Sitte und Brauchtum mit Leben zu füllen.
Alte Bräuche können auch wieder belebt werden, wie das Beispiel der Weihnachtssänger in Osterode zeigt. Interessant ist, daß diese Weihnachts Sänger auch Silvestersänger waren, denn in der Silvesternacht sangen sie „Bis hierher hat mich Gott gebracht“ und das Lied „Das alte Jahr vergangen ist“, damit erwarb sich der Nachtwächter das Recht in den Häusern zu gratulieren, wobei ihm ein Geldgeschenk gegeben wird“, heißt es in der Chronik.
Wenn Volkssitten und Bräuche nicht in Vergessenheit geraten sollen, gibt es eine Chance: die aktive Mitarbeit. Wer sich nicht selbst aktiv einbringt, wird kaum oder nur halbherzig ein Brauchtum erhalten.
Foto: Archiv Binnewies - Osterfeuer in Förste.
- ohne Angaben -
Eine Pionierleistung
Freiheit. Als im Sommer 1974 die Volksbücherei Freiheit aufgelöst wurde, zog lautlos eine bedeutsame Bildungseinrichtung von Freiheit in die Räume der Stadtbibliothek um. Ein Brief der kirchlichen Schulaufsicht und dem königlichen Amt Osterode belegt, dass bereits „Mit dem Anfang des Jahres 1870 für die Schulgemeinde Freiheit eine Bibliothek gegründet wurde“ - vermutlich die erste Volksbücherei im Amtsbezirk Osterode oder gar über diese Grenzen hinaus.
Zu unterscheiden sind Bibliotheken mit begrenztem Leserkreis (Schülerbücherei) und solche, die der gesamten Bevölkerung zugänglich sind, welche den Namen „Volksbücherei“ erhielten. Volksbüchereien wurden eingerichtet, um allen Bevölkerungsschichten, insbesondere der Arbeiterbevölkerung guten Lesestoff zur Unterhaltung und Bildung anzubieten.
Solche Büchereien (VB) entstanden zuerst im Ausland (Paris 1848). In Amerika verbreitete sich die Idee, VB durch private Schenkungen einzurichten, so wurden auch die kleinsten Orte ausgestattet. Berlin erhielt 1850 eine VB und erst nach der Reichsgründung 1870 bis 71 wurde die Forderung, VB als Bildungsstätte für Stadt und Land einzurichten, zunehmend verwirklicht.
Danach zu urteilen, gehörte die Gründung der VB Freiheit im Jahr 1870 zur Pionierleistung auf dem Gebiet „Soziale Bildungsstätte“. Als Initiator ist Lehrer Bergmann aus Freiheit zu nennen. Er sprach einzelne Gemeindemitglieder an und bat um freiwillige Buchgaben. Der Fabrikant Hermann Greve unterstützte diese Idee und stiftete eine Anzahl von Büchern. Pastor Höpfner (St. Aegidien) stellte beim königlichen Amt Osterode einen Antrag auf finanzielle Unterstützung und hatte Erfolg, wie ein Dokument belegt. Das königliche Amt bewilligte 25 Reichstaler und spendete 94 Bände guter Volksschriften. Das Schulamt in Hannover spendete zusätzlich zehn Reichstaler und eine Anzahl Bücher.
Eine Satzung gab vor, „dass nur solche Bücher auf genommen werden, die auf geistig-sittlichem Grunde stehen. Politische und sozialagitatorische Schriften bleiben gänzlich ausgeschlossen, sie sind unverträglich mit d.em veredelnden Zwecke einer Volksbibliothek. “
Diese Vorgabe geriet in Vergessenheit oder wurde bewusst ignoriert, denn in der Zeit der Nationalsozialisten galten andere Bildungswerte. „In der Erkenntnis, dass das gute Buch als ein Schwert des Geistes jedem Volksgenossen zugänglich sein muss, um an der Belebung und Vertiefung nationalsozialistischer Weltanschauung mitzuhelfen, hat die Stadt keine Kosten und Mühe gescheut, die Städtische Volksbücherei umzugestalten, dass sie den Anforderungen der Zeit entspricht.“ (28.2.1936).
Die Volksbücherei, im Schulgebäude Freiheit untergebracht, stellte im April 1945 die Ausleihe ein. Zur Wiedereröffnung musste der Nachweis geführt werden, dass „die Bücherei von dem nationalsozialistischen Schrifttum vollständig gereinigt“ sei. Die Gemeinde stellte am 1.12.1946 den Antrag auf Wiedereröffnung. Der erste Bücherwart nach dem II. Weltkrieg war der Lehrer Richard Lüttge (verst. 1956). Sein Nachfolger, Kurt Wipprecht, führte die Volksbücherei bis zu seiner Pensionierung (1969) und übergab sie dem Lehrer Hans Jürgen Reuter.
Durch die Eingemeindung zur Stadt Osterode und die Zusammenlegung der Schulen Lerbach-Freiheit trat auch für die Volksbücherei eine grundlegende Veränderung ein. In der Ratssitzung vom 5. Juli 1972 wurde beschlossen, die VB in Freiheit zu schließen. Der Buchbestand für Kinder bis zum zwölften Lebensalter sollte der Schülerbücherei zugeordnet werden, der Restbestand an die Stadtbücherei überwiesen werden. Mit dieser Auflösung verlor Freiheit eine Bildungseinrichtung von hohem Rang. Zu hoffen bleibt, dass das Kulturleben im Stadtteil Freiheit eine Eigenständigkeit bewahrt und künftig mehr beachtet wird. Die Heimatstube Freiheit verdient in diesem Zusammenhang mehr Hilfe.
Harz Kurier vom 13.06.1998
Serie: Von Land und Leuten Nr.11
Drei Schulhäuser in Freiheit - Von Albrecht Schütze
Freiheit. Vor 100 Jahren wurde in Freiheit das dritte Schulhaus gebaut und am 4. September 1898 seiner Bestimmung übergeben. Dieses 100jährige Jubiläum gibt Anlaß, in der Schulchronik zu blättern. Chronologisch wurde die Schulgeschichte ab 1875 geführt, doch gibt es auch ältere Schriftstücke und Hinweise, die bis in das Jahr 1637 zurückreichen.
Die Chronisten, Pastor Steinhöfel (1819 bis 1828) und Pastor Max (1836 bis 1875) hielten wesentliche Einzelheiten der Freiheiter Schulgeschichte fest. Besondere Beachtung verdient das Schuleinzugsgebiet, das sich mehrmals änderte. Freiheit hatte kein Kirchengebäude und stellte optisch gesehen keine geschlossene Dorfsiedlung dar, denn viele Einzelhäuser außerhalb der Stadtmauer von Osterode, auch die Gebiete um die Eulenburg und Am Breiten Busch sowie die Gartenhäuser an der Söse gehörten zur Aegidien-Gemeinde und wurden bis 1884 der Schulgemeinde Freiheit zugeordnet. Auch zu anderen Zeiten wechselten die Einzugsgrenzen. Während in Osterode eine Knabenschule mit einer lateinischen Freischule höhere Bildungsziele anstrebte, gab es in Freiheit zunächst nur das Angebot, Lesen zu erlernen.
Unterrichtsräume und Schulgebäude
Nach den Hinweisen der Chronik zu schließen, wurde der Leseunterricht vermutlich in Privaträumen erteilt. Der Begriff Schulhaus wird erstmals mit dem Haus Nr. 69 des Maschinenfabrikanten Wilhelm Friedrichs in Verbindung gebracht. Das Haus soll 1671 gebaut worden sein und diente bis 1844 als einklassige Schule. Als die Schülerzahl auf fast 200 angestiegen war, wurde 1843 bis 1844 das Haus Nr. 67 als zwei-klassige Schule gebaut. Viel zu klein, wie sich bald herausstellen sollte.
Der Bildungseifer, der das Bürgertum erfaßt hatte, ergriff die Schulen. Es war die Zeit der Kinderbücher, der Struwwelpeter wurde 1844 gedruckt. Malbücher, Ausschneide- und Bilderbogen unterstützten die Bildungsarbeit. Der Unterrichtsstoff nahm seinerzeit erheblich zu. In den überfüllten Klassen (bis zu 100 Kindern) konnte kaum noch zufriedenstellend unterrichtet werden. Einige Freiheiter Schulkinder wanderten ab und besuchten die Schulen in der Stadt Osterode. Obwohl die Schülerzahl auf 175 zurückging, wurde ab 1873 die Schule in Freiheit dreiklassig. Die äußeren Voraussetzungen für ein zeitgemäßes Leistungsbild, das in den Stadtschulen geboten wurde, konnten damit gewährleistet werden.
.Die Schülerzahlen stiegen wieder an. 1894 besuchten 216 Kinder die Schule in Freiheit. Um einer möglichen Abwanderung zur neuerbauten Bürgerknabenschule in Osterode vorzubeugen, wurde eine vierte Klasse beantragt. Mit der Einrichtung der 4. Klasse in Freiheit (1895) waren die Chancen gegenüber den Stadtschulen gleich, doch durch Krankheit und Militärdienst der Lehrer in Freiheit fiel ungewöhnlich viel Unterricht aus. Erst ab Ostern 1898 konnte der Unterricht einer vierklassigen Schule gerechtfertigt werden. Für Lehrerausfall gab es keinen Ersatz. So klagte Lehrer Bergmann bereits 1892, daß er wochenlang 200 Kinder allein zu unterrichten hatte, bis die Lehrer Kümmel und Ludewig aus Osterode einige Stunden übernahmen.
In dieser Zeit (Michaelis 1891) fanden die ersten Beratungen für den Bau eines neuen Schulgebäudes statt. Freiheit hatte im Sommer 1891 mit dem Bau einer Wasserleitung begonnen, die auch der neuen Schule dienen sollte. Es vergingen aber noch Jahre. In der Schulchronik 1896 heißt es: „Unser Schulhausbau will immer noch nicht weiter. Im April hielt Baurat Mende mit dem Schulvorstand und im Beisein des Herrn Geheimrates Rottländer eine Sitzung ab, in welcher die Pläne des neuen Schulhauses besprochen wurden.” Im März 1897 wurden schließlich die Bauarbeiten vergeben, am 13. Juli 1897 die Grundsteinlegung vorgenommen, und bereits am 6. September 1897 der Richtbaum gesetzt. Es wurde auch höchste Zeit, denn die Schülerzahl war auf 225 angestiegen und sollte für die nächsten Jahre auf 267 anwachsen.
Die Freiheiter konnten zu Recht auf ihr neues Schulhaus stolz sein, denn außer der Bürgerknabenschule in Osterode gab es im Umkreis kein weiteres modernes Schulhaus, daß ausschließlich für Unterrichtszwecke gebaut worden war.
Eigenständigkeit endete 1975
Selbstbewußt wurde am 4. September 1898 das neue Schulhaus, das 50 000 Mark gekostet hatte, von den Freiheitern feierlich geweiht und mit einem großen Fest auf dem Freiheiter Schützenplatz begangen. Beim Umzug durch Freiheit über die alte Harzstraße zum Schützenplatz wurde die Schulfahne von 1876 vorweg getragen, begleitet vom Tambourmajor, den Trommlern und Pfeifern. Die Eigenständigkeit der Schule hörte zwar am 1. August 1975 durch die Zusammenlegung mit der GS Lerbach auf, doch wird das Schulhaus in Freiheit auch heute noch genutzt, darum umfaßt dieses dritte Schulhaus 100 Jahre Schulgeschichte Freiheit.
Das Foto zeigt das Freiheiter Schulhaus um 1900. Foto: Schütze
Osteroder kreis=Anzeiger 12.07.1997
Grundsteinlegung für das Freiheiter Schulgebäude vor 100 Jahren
Von Albrecht Schütze
FREIHEIT. Vor 100 Jahren, am 13. Juli 1897, fand die feierliche Grundsteinlegung für das Freiheiter Schulgebäude „Hauptstraße 81“ statt. Es war bereits das dritte Schulhaus, denn die Schülerzahlen stiegen von Jahr zu Jahr.
Während das erste und zweite Schulhaus als Wohnhaus gebaut und zu Unterrichtszwecken umgestaltet worden war, legte man 1897 den Grundstein zu einem Gebäude, das ausschließlich als Schule genutzt werden sollte. Vier Klassenräume sollte das neue Schulhaus umfassen und bot damit, im Vergleich zur vier Jahre zuvor erbauten Bürgerknabenschule der Stadt Osterode, ein gleichwertiges modernes Schulhaus.
Anlaß zu diesem Neubaus mag auch ein Streit zwischen Osterode und der selbständigen Gemeinde Freiheit gewesen sein. Zahlreiche Freiheiter Kinder besuchten die Schulen der Stadt, zahlten dort auch das geforderte Schulgeld und blieben dennoch Gastschüler. Zum Jahresbeginn 1872 wurden sie von den Osteroder Schulen verwiesen, weil die Erwartung, Freiheit einzugemeinden, sich nicht zu erfüllen schien. In der Schulchronik steht dazu vermerkt mit drakonischen Mitteln versucht der Magistrat der Stadt Osterode den Anschluß an die Stadt zu erzwingen, weicher von den Bewohnern der Freiheit abgelehnt war...“
So nahm ab Januar 1872 die Schulraumnot in Freiheit erheblich zu. Weder ausreichend Schulraum, noch genügend Lehrpersonen waren für etwa 200 Schulkinder vorhanden. Die zum 15. Oktober 1872 wirksam gewordenen „allgemeinen Bestimmungen über den Volksschulunterricht“ führten dazu, daß ab Ostern 1873 in Freiheit eine drei-klassige Schule entstand, die jedoch nur mit zwei Lehrern besetzt war. Die Unterrichtsversorgung verschärfte sich durch wachsende Erwartungen an die Schule bei steigenden Schülerzahlen und fehlenden Lehrpersonen.
Besonders durch den Fortgang des Lehrers Ferdinand Weisleder (1874) nach Northeim, drohte ein Notstand einzutreten. Der Gemeindevorstand beschloß trotz knapper Finanzmittel, den Lehrer Bergmann aus Lerbach als künftigen zweiten Lehrer mit dem gleichen Gehalt eines ersten Lehrers einzustellen, um die Unterrichtsversorgung zu sichern. Mit Lehrer Bergmann unterrichtete auch Lehrer Adolf Gölitz (1. Lehrer), der mit Pastor Schmidt sowie mit Pastor Max trotz der erschwerten Bedingungen zusätzliche Bildungsmöglichkeiten für sozial schwach gestellte Familien eingeleitet und umgesetzt hatte (Gründung der Industrieschule 1851 für junge Mädchen und Gründung der Kinderbewahranstalt).
Dieses zweite Schulgebäude (1844-1898), das auf dem heutigen Gelände „Parkplatz Kaisers“ stand, konnte die schulischen Erwartungen der Gesellschaft schon lange nicht mehr erfüllen. Ein Bauplatz war schnell gefunden, die Finanzierung wurde möglich gemacht, indem das alte Schulhaus verkauft wurde und die Brennholzablösung der Gemeinde, dazu eine Kreditaufnahme den Gesamtbetrag von 50 000 Mark abdeckten.
Am 13. Juli fanden sich zur Grundsteinlegung der Gemeindevorstand, Baurat Mende, Maurermeister Kirchhoff und viele Gemeindemitglieder ein. Pastor Fargel eröffnete die Feier mit einer Ansprache. Pastor Fargel legte anschießend einen vom Maschinenfabrikanten Wilhelm Friedrichs gestifteten Zinkblechkasten mit elf Dokumenten ein. Er beinhaltete Nachrichten unter anderem über die hiesigen Gemeindeverhältnisse, Nachrichten über die Entwicklung des hiesigen Schulwesens und zwei Ausgaben des Allgemeinen Anzeigers. Der Zinkkasten wurde verlötet und eingemauert.
Das Schulgebäude in Freiheit um die Jahrhundertwende. Foto: oh
Osteroder Kreis=Anzeiger vom .....
Ein fast vergessenes Jubiläum: Vor 360 Jahren erste Schulstunde - Frei| unterrichtete
Von Albrecht Schütze
Vor 360 Jahren erhielt eine Frau in der Ortschaft Freiheit den Auftrag, mit den Kindern auf der Freiheit das Lesen zu üben. Das war die Geburtsstunde der Freiheiter Schule.
Die Berufsbezeichnungen für Personen, die Kinder und Erwachsene in Schulstuben unterrichteten, waren vielfältig. Es gab es Lese-, Schreib- und Rechenmeister. Ein Schulmeister oder Lehrmeister dagegen konnte alle drei Kulturtechniken - Lesen, Schreiben, Rechnen - erfüllen.
Die ersten Anfänge in Freiheit (1637) beschränkten sich vermutlich nur auf das Lesen. Pastor Max hält 1840 in seiner Chronik schriftlich fest: „Anfänglich war zum Unterricht der Kinder auf der Freiheit nur eine Lesemeisterin, Ursula Seckels“. Als Schulmeisterin wird sie 1660, ein Jahr vor ihrem Tod, unter den Comunicierten (Abendmahlteilnehmern) ausgeführt.
Vergegenwärtigt man sich die Zeit, als Ursula Seckels 1637 den Lehrauftrag übernahm, erkennt man den allgemeinen Bildungsnotstand der damaligen Zeit. Im Land herrschte große Not, denn der 30jährige Krieg (1616-1648) verschonte keine Ortschaft. Der Konrektor des Progymnasiums, Dr.Renner, erwähnt in der Chronik von Osterode die Plünderungen aus dem 1632 in der Johannis- und Marienvorstadt, dazu die Ausschreitungen gegen die Landbevölkerung. Fünf Jahre später, am 12. September 1637, wurden abermals die Johannis- und Marienvorstadt an zwei Tagen ausgeplündert.
Abgesehen von den Kriesgunruhen mit der Begleiterscheinung der Verteuerung der Lebensmittel traten auch Krankheiten, insbesondere die Pest auf.
Genau zu diesem Zeitpunkt beginnt die Schulgeschichte in der Ortschaft Freiheit. Ein Schulhaus mag es noch nicht gegeben haben, entscheidend war, eine Person zu finden, die in schwerer Zeit die heranwachsende Jugend für die Zukunft befähigen konnte. Der Aufruf Martin Luthers (1554) „An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes, christliche Schulen aufzurichten“, hatte neben einer missionarischen Absicht den Gewinn, die Abhängigkeit von wenigen lese- und schreibkundigen Personen zu verringern.
Der aufstrebende Bürger, vor allem der Kaufherr und Handelsherr, war an der Kunst des Lesens und Schreibens sehr interessiert, um unabhängig von zweifelhaften Geschäftemachern zu werden. Freiheit, an der Handelsstraße zum Oberharz gelegen (Alte Harzstraße, Hundscherweg), bot Lese-, Schreib- und Rechenkundigen bessere Verdienstmöglichkeiten.
Dieser Sachverhalt könnte eine Erklärung für den relativ frühen Zeitpunkt des Schulunterrichts in Freiheit sein. Der Stadtplan von 1680 dokumentiert die besondere geographische Lage des Ortes Freiheit zwischen der mauerbewehrten Stadt Osterode und dem Harz.
Im Stadtgebiet gab es die Lateinschule (Kommandantenhaus) für Knaben, die Parochialschulen der Kirchengemeinden St. Jacobi und St. Marien für Jungen und Mädchen sowie eine Mädchenschule der Aegidiengemeinde. Während in den Parochialschulen vorwiegend Lesen und Schreiben vermittelt und Kirchenlieder eingeübt wurden, kam in der Mädchenschule noch Häkeln und Stricken hinzu.
Der Schulunterricht in Freiheit unterlag nicht den kirchlichen Vorschriften wie an den Parochialschulen praktiziert, denn die Ortschaft Freiheit, außerhalb der Stadtmauer gelegen, bewahrte sich eine Selbständigkeit bis in unsere Zeit (1970). Nur seelsorgerisch bestand eine enge Verbindung zur Aegidiengemeinde, die außer einigen Straßenzügen in der Stadt auch die Bewohner der Gartenhäuser außerhalb der Stadtmauer bis zur St. Mariengemeinde betreute.
Außergewöhnlich war auch die Anstellung einer Frau, denn in allen umliegenden Dörfern waren männliche Lehrpersonen eingestellt worden. Warum in Freiheit eine Lesemeisterin und kein Lesemeister den Auftrag bekam, ist nicht belegt.
Vermutlich war es eine Kostenfrage, verbunden mit dem Nachweis der Ausbildung. Die Unterschiede waren erheblich. Lehrer an Lateinschulen konnten aufgrund ihrer Bildung Bürgerrechte erwerben - Schulmeister waren von diesem Recht ausgeschlossen. Auf dem Lande wurden Lehrer mit Naturalien (Nutzung von Gartenland und Zuweisung von Brennholz) entlohnt.
In der Reformationszeit wurden die Schreib- und Lesemeister oder Lesemeisterinnen mit weiteren Aufgaben betraut und nannten sich auch Küster und Dorflehrer. Auch die Unterscheidung Schulhalter und Schulmeister war üblich. Der Schulhalter unterrichtete nur gelegentlich, übte meist noch ein Handwerk aus, während der Schulmeister oder die Schulmeisterin ganzjährig als Lehrperson arbeitete.
Demnach war Ursula Seckels in der Ortschaft Freiheit die erste selbständige Schulmeisterin, heute hätte sie die Bezeichnung Schulleiterin. Nachweislich war sie 24 Jahre als Lehrmeisterin in Freiheit tätig, das heißt, sie prägte eine Generation und hat damit für die Freiheiter Ortsgeschichte Bedeutsames geleistet.
Foto: Freiheit nördlich von Osterode, nach einem Stadtplan von 1680 von Heinrich Wendt (Bild: oh)